Spinale HVLA-Manipulation als Kompetenz der Osteopathie

Es muss deutlich gemacht werden, dass ausserhalb des angelsächsischen Raumes nur wenige Länder die Osteoapathie als Beruf anerkennen, geschweige denn definiert haben. In den Niederlanden sowie in Belgien laufen zur Zeit Bemühungen, der Osteopathie staatliche Anerkennung zu verschaffen. Hier haben die Berufsverbände das Berufsprofil der Osteopathie dokumentiert. Das sehr ausführliche Niederländische Beroepscompetentieprofiel beschreibt die Manipulation mit Impuls als Kernkompetenz der Osteopathie (vgl. Kouwenberg  et al. 2009: 20 & 32). Das Belgische Pendant dazu beschreibt die Thrustmanipulation als osteopathisch klinische Fertigkeit (vgl. ROB 2009: 10). Die Osteopathenvereinigung Schweiz hat als Schweizerischer Dachverband der akademisch ausgebildeten Osteopathinnen und Osteopathen mit Der Osteopath, Profil der Berufskompetenz ein offizielles Dokument herausgegeben. Auch hier wird die Thrustmanipulation als Kernkompetenz der Osteopathie anerkannt. „Der Osteopath besitzt die professionellen Fähigkeiten, high velocity low amplitude Manipulationstechniken auf einem manuell-technisch hochstehenden Niveau sicher anwenden zu können.“ (Rompen 2011: 12).

Ausbildungsstätten im Europäischen Hochschulbildungsraum wie zum Beispiel die Fachhochschule für Gesundheit Tirol (Innsbruck, Österreich), die in Zusammenarbeit mit der International Academy of Osteopathy (Gent, Belgien) einen  Master of Science Studienlehrgang Osteopathie anbietet, werten die HVLA-Manipulation als Kompetenz der Osteopathie (vgl. Peeters/Lason 2011B: 17). Sie begründen dies auf Basis des sogenannten CanMEDS Modell. Die CanMEDS Framework of essential physician competencies stellt ein im 1996 von der Royal College of Physicians and Surgeons of Canada entwickeltes Dossier dar, das die Rahmenbedingungen der Kompetenzen für die medizinische Ausbildung und Berufsausübung definiert (vgl. CanMEDS  2012: online). CanMEDS hat als Ziel, die medizinische Patientenbetreuung zu verbessern. Sie ist für viele andere Berufe im Gesundheitswesen adaptiert worden und wird in vielen Ländern als Leitfaden angewandt, so auch in der Schweiz (vgl. BAG 2012: online).

Das 2009 gegründete Forum for Osteopathic Regulation in Europe FORE möchte die Osteopathie im Europäischen Raum vereinheitlichend regulieren. Dazu hat sie mit The Scope of Osteopathic Practice in Europe ein offizielles Dokument herausgegeben, in welchem  unter anderem direkte Thrusttechniken als Behandlungstechnik der Osteopathie definiert werden (vgl. Kouwenberg 2010: 14f).

Der WHO definiert in Benchmarks for training in osteopathy die Manipulation als eine der core competencies der Osteopathie (vgl. WHO 2010: 8).

 

 

Politische Situation der Osteopathie in der Schweiz

In der Schweiz wird die Erteilung der Kompetenz der Osteopathie betreffend der SHVLAM ganz verschieden gehandhabt. Die Erteilung der Berufskompetenzen in den Medizinalberufen ist Sache der kantonalen Stellen. Die nachfolgenden Informationen stammen ausschliesslich aus kantonalen und eidgenössschen Erlassen. Die Praxis des Kantons kann davon abweichen. Zwei der 26 Kantone untersagen Osteopathinnen und Osteopathen die Manipulation mit Impuls ausdrücklich per Gesetz. Der Kanton Bern schreibt im Kapitel über die Tätigkeiten der Osteopathinnen und Osteopathen wortwörtlich: “Manipulationen mit Impuls sind ihnen untersagt“ (Regierungsrat des Kantons Bern 2001: Artikel 55 Absatz 2). In Kanton Schwyz gilt ein analoges Verbot: „Insbesondere sind Osteopathinnen und Osteopathen nicht befugt, andere Interventionen, zum Beispiel Injektionen oder Manipulationen durch Impulse vorzunehmen“ (Regierungsrat des Kantons Schwyz 2003: §30 lit. 1). Sieben Kantone erlauben den Osteopathinnen und Osteopathen die Manipulation dagegen explizit. In fünf kantonalen Gesetzgebungen wird die Osteopathie nicht gelistet. Eine direkte Nachfrage ergab, dass im Kanton Zürich, wo der Autor HP tätig ist, die Osteopathie nicht in der Liste der meldepflichtigen Berufe enthalten ist. Somit sind die Kompetenzen der Osteopathie nicht definiert. In neun Kantonen verweisen die kantonalen Gesundheitsdirektionen auf das Reglement Osteopathie der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (vgl. GDK 2007). Hier ist das Dokument Absolute und relative Kontraindikationen für eine unmittelbare osteopathische Behandlung des akademischen Ausschusses des Schweizerischen Verbandes der Osteopathen SVO-FSO wichtig. In diesem Dokument werden die „Kontraindikationen gegen Manipulationen mit hoher Geschwindigkeit“ definiert (vgl. Kaufmann et al. 2007: 55). Der Text lässt darauf schliessen, dass Kaufmann und Mitarbeitende hier nur Manipulationen mit hoher Geschwindigkeit und geringem Bewegungsausmass gemeint haben können. Da die GDK dieses Dokument als Leitfaden einsetzt, bedeutet dies, dass die GDK die HVLA-Manipulation als Kompetenz der Osteopathie erachtet. Der Kanton Nidwalden, wo der Autor FR wohnt und praktiziert, verweist zum Beispiel auf die Bestimmungen der GDK (vgl. Regierungsrat von Nidwalden 2007: 8 §15). In Tabelle 4.2 werden Resultate dieser Enquete grafisch dargestellt.

Eine direkte Nachfrage bei der Osteopathenvereinigung Schweiz OVS ergab, dass diese in absehbarer Zeit die kantonalen Eigenheiten durch eine gesamtschweizerische Regelung ersetzt haben möchte. Insbesondere sollte die SHVLAM in sämtlichen Kantonen als Kernkompetenz der Osteopathie anerkannt werden.

Tabelle 4.2 siehe Download

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