Kapitel 4.6 - Unterschied zwischen einem blockierten und einem restriktiven Gelenk

Vertebrale SHVLAM werden in der Osteopathie mit dreierlei Zielen eingesetzt. 1) um durch Repositionierung der Gelenkflächen einem Gelenk seine Beweglichkeit zurück zu geben, 2) um das autonome Nervensystem faszilitierend oder inhibierend zu modulieren und 3) eine verkürzte kapsuloligamentäre Struktur zu korrigieren; dabei kann es sogar zu gezielter Überdehnung von verkürzten Bindegewebsfasern oder Zerreisen pathofunktioneller crosslinks kommen, um so die Qualität der Arthokinematik, der sogenannten Falschen Achse zu korrigieren (vgl. Peters/Lason 2009: 247).

Da ein subluxiertes oder blockiertes Intervertebralgelenk strukturelle Veränderungen am Anulus fibrosus des Discus intervertebralis hervorruft, sollte diesem Gelenk mittels einer Manipulation seine ursprüngliche Beweglichkeit im qualitativen Sinn wieder ermöglicht werden (vgl. Peeters/Lason 2009: 248). Obwohl eine Manipulation durchaus zu den Möglichkeiten gehört, um ein restriktiv eingeschränktes Gelenk zu therapieren, ist die gängigste Behandlungsweise hier, die Gelenksfunktion mittels Mobilisationen zu optimieren. Somit ist es für die praktische Anwendung der vertebralen HVLA-Manipulation von Bedeutung, zwischen einem blockierten und ein restriktiven Gelenk unterscheiden zu können. Subluxationen und Blockaden sind oft nicht einfach von Restriktionen zu unterscheiden. Liegt eine Positionsverschiebung in der Frontal- oder Sagittalebene vor, so ist eine Blockade oder Subluxation wahrscheinlich (vgl. Peeters/Lason 2009: 248). Inspektionen, kombiniert mit verschiedenen Befunden der spezifischen Bewegungsuntersuchungen und Palpationen, können die Differenzierung optimieren. 

 

Ein blockiertes Gelenk wird eine reduzierte Beweglichkeit im betreffenden Wirbelsegment zur Folge haben, was zu einer verminderten Aktivierung der Kapselrezeptoren in den involvierten intervertebralen Gelenken und den benachbarten ligamentären und faszialen Strukturen führt. Die so reduzierte Aktivität der afferente IIb und IIIa Nervenfasern führt zu verminderten inhibierenden Einflüssen der Somatoafferenz auf die Viszeroafferenz des betreffenden Segments. Hierdurch kann ein hyperaktives Segment entstehen. In Kapitel 5.4.5 wird diese Modulation des sympathischen Teils des autonomen Nervensystems detailliert beleuchtet. Der somit erhöhte Sympathicotonus führt zur Beeinträchtigung der autonomen Regulationsmechanismen und formt so die Äthiologie der sogenannten somatischen Dysfunktionen (vgl. Kapitel 5.4.2). Über die Gammaschleife wird der Basistonus der paravertebralen Muskulatur gesteigert, wodurch sich die Beweglichkeit im entsprechenden Bewegungssegment reduziert und dieses Wirbelsäulensegment sich anders positioniert. In Kombination mit der Beweglichkeitseinschränkung, welche konsequenterweise ein blockiertes Gelenk zur Folge hat, kommt es zu einem charakteristischen, pathobiomechanischen Bewegungsverhalten des Wirbelsegmentes. Die klassische Osteopathie integriert in ihr Diagnosekonzept nebst Observation und Palpation gezielt manuelle Untersuchungstechniken mit Einbezug taktiler, visueller, olfaktorischer und akustischer Wahrnehmungen als differenzierende Tests. Diese ermöglichen differenziert zu erkennen, welche dieser Pathobiomechaniken vorliegt. In der vorliegenden Arbeit besprechen wir den Seitneigungstest im Sitzen, welcher aussagekräftig zwischen einem blockierten und einem restriktiven Intervertebralgelenk unterscheiden lässt.

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